Die funktionellen Gruppen einer chemischen Verbindung verursachen einen
oder mehrere zusammenhängende Peaks an bestimmten Positionen in einem
IR- oder Raman-Spektrum. Der Analytiker durchsucht die gemessenen IR-
oder Raman-Spektren nach markanten Banden. Die zugewiesenen Peaks müssen
anschließend einem vermuteten oder bekannten Molekül zugeordnet werden.
Eine detaillierte Einführung finden Sie im Kapitel "Übersicht
IR-Raman-Analyse".
Die Hauptaufgabe des Regel-Designers liegt in der Aufstellung neuer
Interpretations-Regeln und Verwaltung der Regeln nach spektroskopischen
Gesichtspunkten. Die Interpretations-Regeln repräsentieren das kodierte
Wissen eines erfahrenen Spektroskopikers.
Im Regel-Designer werden Regeln aufgestellt, geändert, gelöscht, kopiert,
eingefügt und verwaltet. Der Dialog sieht folgendermassen aus:
Baumansicht der Interpretations-Regeln
Die Baumansicht der Interpretations-Regeln (in der linken Hälfte des
Fensters) zeigt die Organisationsstruktur der Regeln innerhalb des Regel-Datenbank.
Die Regeln können hierarchisch nach folgenden Klassen organisiert werden:
Substanzklasse
Die Substanzklasse ist eine organisatorische Instanz in der die speziellen
Eigenschaften einer Gruppe von Substanzen (z.B. Alkohole oder aromatische
Hydroxy-Verbindungen) zusammengefügt sind.
Unterklasse
Die Unterklasse ist eine organisatorische Instanz wie die Substanzklasse
selbst. In manchen Fällen ist eine Substanzklasse zu allgemein und muss
in diverse Unterklassen aufgespalten werden. Zum Beispiel ist die Substanzklasse
der aromatischen Hydroxy-Verbindungen in die Unterklassen aromatische
Alkohole und Phenol aufgeteilt.
Funktionelle Gruppe
Jede Substanzklasse oder Unterklasse enthält eine Zahl an funktionellen
Gruppen, die den Fragmenten in den Molekülen entsprechen. Die funktionellen
Gruppen sind für die in den IR- oder Raman-Spektren auftretenden charakteristischen
Banden verantwortlich.
Interpretations-Regel
Jeder Bande wird durch eine Interpretations-Regel repräsentiert. Eine
Regel ist die kleinste verfügbare Einheit in der Regeldatenbank. Die Eigenschaften
der Banden wurden mit verschiedenen Parametern quantifiziert und diese
Parameter beschreiben die Form und Charakteristiken der Bande.
Folgende Funktionen sind in der Baumansicht verfügbar:
Erweitern oder Verbergen eines Zweiges
Die Zweige der Baumansicht können durch eine Klick mit der linken
Maustasteauf die Symbole
oder erweitert oder verborgen
werden.
Auswahl eines Zweiges
Bei der Auswahl eines funktionellen Gruppenzweiges wird automatisch
die Regel-Tabelle und die Molekülansicht
aktualisiert.
Wird eine Substanzklasse oder Unterklasse gewählt, werden die Ansichten
und Tabellen gelöscht.
Auswahl mehrerer Zweige
Mehrere Zweige können durch Halten der Strg-Taste bei der Auswahl selektiert werden.
Diese Funktion ist nützlich zum Kopieren und Einfügen mehrerer funktioneller
Gruppen.
Jede funktionelle Gruppe wird durch einen Satz an Regeln charakterisiert,
die unten rechts im Dialog in einer Tabelle angezeigt werden. Die Tabelle
enthält folgende Eigenschaften:
Name der Schwingung
Benutzerdefinierter Name für die
betreffende Bande. Beschreibt die Art der Schwingung wie z.B. O-H stretch
or O-H bend.
Anfangs-Wellenzahl
Die Wellenzahl für den Anfang des
Intervalls in dem die Bande im Spektrum erwartet wird. Werte müssen in
1/cm Einheiten eingegeben werden.
End-Wellenzahl
Die Wellenzahl für das Ende des Intervalls in dem die Bande im Spektrum
erwartet wird. Werte müssen in 1/cm Einheiten eingegeben werden.
Das Intervall wird in der Spektrenanalyse
verwendet...
Der Spektrenbereich der
durch die Anfangs- und End-Wellenzahl festgelegt wird, wird zur Banden
Erkennung während der Spektrenanalyse verwendet. Eine manuelle Feinabstimmung
kann im Dialog Einstellungen vorgenommen
werden. Falls der Bereich nicht eindeutig definiert ist, sollte dort eine
allgemeine Abweichung definiert werden bevor die Spektrenanalyse durchgeführt
wird.
Schwellwert
Der Schwellwert beschreibt die zu
erwartende Intensität einer Bande. Die Intensität wird in den unten aufgeführten
Kategorien relativ zu allen Peaks im analysierten Spektrum angegeben.
Folgenden Kategorien stehen zur Verfügung:
Sehr schwach
Schwach
Mittel
Stark
Sehr Stark
Variabel
Bezeichnet eine sehr stark von der chemischen Umgebung abhängige Intensität
und diese kann zwischen sehr schwach und sehr stark schwanken.
Der Schwellwert wird in der Spektrenanalyse
verwendet...
Der Schwellwert wird zur
Banden Erkennung während der Spektrenanalyse verwendet. Eine manuelle
Feinabstimmung kann im Dialog Einstellungen
vorgenommen werden. Der Schwellwert sollte genau
eingestellt sein, bevor eine Spektrenanalyse durchgeführt wird.
Priorität
Die Priorität
beschreibt die relative Bedeutung der Bande. In manchen Fällen können
Banden, aufgrund der chemischen Umgebung oder anderen experimentellen
Bedingungen, nur sehr schwach oder nur gelegentlich auftreten. Die Bedeutung
der Bande kann anhand der Erfahrung des Analytikers in folgende Kategorien
aufgeteilt werden:
Sehr niedrig (grün)
Niedrig (grün)
Mittel (grün)
Hoch (grün)
Sehr hoch (grün)
Ausgeschlossen
(rot)
Diese Option besitzt eine besondere Bedeutung und setzt andere Interpretationsregeln
der funktionellen Gruppe auÄer Kraft, falls die Bedingung erfüllt wird.
Mit dieser Option kann eine bestimmte Bande aus einer funktionellen Gruppe
ausgeschlossen werden.
Beispiel:
Eine Carbonsäure zeigt ein starkes Signal
bei ca. 1690 1/cm (Carbonylgruppe) und ein starkes Signal bei ca. 3500
1/cm (OH-Gruppe). In der Definition der funktionellen Gruppe der Alkohole
wird auf keinen Fall eine Carbonylbande erwartet, wohl aber eine OH-Bande.
Folglich sollte die Carbonylbande in der Definition der funktionellen
Gruppe der Alkohole ausgeschlossen werden. In diesem Fall wird dann die
funktionelle Gruppe bei der Analyse ignoriert.
Erforderlich
(gelb)
Diese Option hat die gegenteilige Bedeutung der Kategorie ausgeschlossen
und setzt andere Regeln der funktionellen Gruppe auÄer Kraft
falls die Bedingung erfüllt wird. Eine bestimmter Spektrenbereich
kann als absolut erforderlich für eine funktionelle Gruppe definiert werden.
Es muss mindestens ein Peak in diesem Bereich vorliegen damit die Bedingung
erfüllt wird.
Beispiel:
Betrachtet man das obige Beispiel, dann sollte bei einem fehlenden
starken Signal bei ca. 1690 1/cm keine Carbonylgruppe vorliegen, obwohl
anderen Banden eventuell die Regeln der funktionellen Gruppe erfüllen.
In diesem Fall sollte diese funktionelle Gruppe bei der Analyse ignoriert
werden.
Die Banden werden farblich hervorgehoben, um deren Priorität auf
einen Blick erkennen zu können:
Grüne
Farbe
Alle erwartetenden Banden werden grün hinterlegt. Der Grad der Transparenz
zeigt die Priorität an. Deckende Farbe bedeutet hohe Priorität und je
durchsichtiger die Farbe wird, desto geringer ist der Priorität der entsprechenden
Banden.
Gelbe
Farbe
Alle erforderlichen Banden werden gelb hinterlegt.
Rote
Farbe
Alle ausgeschlossenen Banden werden rot hinterlegt.
Im Spektrenfenster des Dialogs werden die aktuellen funktionellen Gruppen
als Molekülfragment dargestellt. Das Fragment wird in einer Molekülansicht
dargestellt. Einzelheiten finden Sie im Abschnitt "Funktionen der Molekülansicht".
Ein oder mehrere Molekülfragmente können in eine funktionelle Gruppe
eingefügt werden. Das Molekülfragment muss zuvor in einer entsprechenden
Anwendung gezeichnet werden und als Datei im *.mol Format vorliegen. Folgende
Methoden stehen zur Verfügung um ein Molekül in eine funktionelle Gruppe
einzufügen:
Transferieren Sie eine *.mol Datei aus dem Windows Explorer
per Drag&Drop in die Spektrenansicht im oberen Teil des Dialogs.
Menübefehl Molekül zur funktionellen Gruppe hinzufügen
Wählen Sie Molekül
zur funktionellen Gruppe hinzufügen im Menü
Regeln..
Wählen Sie eine *.mol
Datei im Dateiauswahl-Dialog.
Klicken
Sie auf Öffnen
um das Molekül einzufügen.
Wie erstellt man Moleküle die in funktionellen
Gruppen verwendet werden können?
Die Moleküle der funktionellen Gruppen
im Regel-Designer benötigen eine bestimmte Form, da der Algorithmus zur
Validierung von Spektrum
und Molekül das Molekül selbst auf vorhandene funktionelle Gruppen
untersucht. Die Moleküle in der Definition jeder funktionellen Gruppe
werden mit den zur Validierung vorliegenden Molekülen verglichen. Der
Vergleichsalgorithmus benötigt spezielle Definitionen für generische Gruppen
und Superatome.
Die Spektrenansicht zeigt die Position der Regeln innerhalb des sichtbaren
Spektrenbereichs als farbige Rechtecke. Die Farbe ermöglicht Rückschlüsse
auf die Priorität der jeweiligen Spektrenregion.
Positionen der Klassifizierungsregeln in
einem Beispielspektrum zeigen...
In manchen
Fällen kann es nötig sein, die Positionen der Klassifizierungsregeln für
funktionelle Gruppen mit einem Spektrum zu überlagern. Zu diesem Zweck
kann ein Spektrum direkt aus einer Datei (*.spc) im MS-Windows Explorer
per Drag&Drop in die Spektrenansicht transferiert werden.
Modifikation der funktionellen Gruppen
Ein Standardsatz an Interpretationsregeln in der entsprechenden Hierarchie
wird zusammen mit der Software installiert. Zur Anpassung des Regelwerks
an persönliche Anforderungen können funktionellen Gruppen oder Moleküle
modifiziert, hinzugefügt oder entfernt werden. Zu diesem Zweck sind folgende
Optionen verfügbar:
Änderungen wirken sich sofort auf die Ergebnisse
aus!
Eine Modifikation des Regelwerks verursacht eine sofortige Änderung/Anpassung
der Ergebnisse. Bitte gehen Sie bei der Änderung des Regelwerks vorsichtig
vor.
Änderungen werden automatisch gespeichert!
Durchgeführte Modifikationen werden beim Beenden des Regel-Designer
gespeichert. Der Benutzer wird zur Bestätigung der Änderungen aufgefordert.
Eine neue Regel kann durch einen Klick mit der linken
Maustaste in die leere Zeile (neben dem * Symbol) der Regeltabelle
eingefügt werden:
Es wird automatisch eine neue Zeile eingefügt und mit
(Null)-Werten gefüllt:
Geben Sie in
jede Spalte gültige Werte oder
wählen Sie einen Wert aus einer Dropdown-Box (falls vorhanden).
Durch Drücken der RETURN-Taste oder durch Klicken der linken
Maustaste wird die aktuelle Zeile verlassen und die Interpretations-Regel
automatisch aktualisiert.
Eine Regel kann durch einen Klick mit der linken
Maustaste in das gewünschte Feld
modifiziert werden.
Geben Sie gültige
Werte in das Feld ein oder wählen
Sie einen Wert aus einer Dropdown-Box (falls vorhanden).
Verlassen Sie das Feld mit der RETURN-Taste oder durch einen Klick mit der
linken
Maustaste auf eine weiteres Feld. Die Interpretationsregel wird
automatisch aktualisiert.